Was ist ein Beweissicherungsverfahren?
Das Beweissicherungsverfahren ist ein gesetzlich genau definierter Prozess, um Mängel und Schäden zu einem bestimmten Zeitpunkt festzuhalten. Dabei geht es nicht nur um Schäden, die während der Bauzeit entstehen, sondern auch um bereits vor Baubeginn vorhandene Schäden, sei es am Gelände oder an umliegender Nachbarsbebauung. Daher unterscheidet man beim Beweissicherungsverfahren auch zwischen verschiedenen Verfahren und Möglichkeiten:
• Beweissicherung vor Baubeginn: Erhebung des Ist-Zustands des Baugeländes.
• Private Beweissicherung: privat beim Sachverständigen in Auftrag gegebenes Beweisverfahren mit dem Ziel der außergerichtlichen Einigung.
• Selbstständiges Beweisverfahren: Antrag auf ein gerichtliches Gutachten mit dem Ziel der Klärung in einem Gerichtsprozess.
Das Beweissicherungsverfahren spielt also eine Schlüsselrolle während des Bauablaufs immer dann, wenn es zu Unstimmigkeiten und dem Auftauchen von Schäden oder Mängeln kommt. Egal, ob es um fehlerhafte Ausführung von Bauleistungen oder um Beschädigungen an bereits vorhandenem Eigentum geht, immer stellt das Beweissicherungsverfahren die einzige zuverlässige und gerichtlich zugelassene Methode dar, um festzustellen, welcher Seite Recht gegeben wird.
Aus gutem Grund ist beispielsweise die Beweissicherung vor Baubeginn sogar nach der VOB Teil B Paragraph 3 Absatz 4 vorgeschrieben:
"(4) Vor Beginn der Arbeiten ist, soweit notwendig, der Zustand der Straßen und Geländeoberfläche, der Vorfluter und Vorflutleitungen, ferner der baulichen Anlagen im Baubereich in einer Niederschrift festzuhalten, die vom Auftraggeber und Auftragnehmer anzuerkennen ist."
Warum ist Beweissicherung am Bau wichtig?
Während der Bautätigkeit handelt es sich bei auftretenden Reklamationen zu Mängeln oder Schäden immer nur um eine Momentaufnahme. Sehr selten, nur im Falle von extrem gravierenden oder sicherheitsrelevanten Mängeln, wird die Bautätigkeit auf Anweisung der Auftraggeber:innen oder der Behörden eingestellt. In diesem Moment würde sowieso zwingend ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren angeordnet. Normalerweise ist diese Maßnahme aber nicht gesetzlich erforderlich und die Entscheidung über eine Beweissicherung bleibt Auftraggeber:innen bzw. Bauherr:innen überlassen. Das kann dazu führen, dass anstelle einer ordnungsgemäßen Beweissicherung nur eine Dokumentation "auf eigene Regie" durchgeführt wird. Selbstverständlich ist diese besser als gar nichts, hat aber dennoch im Falle einer privatrechtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzung nur einen sehr beschränkten Wert. Sie dient bestenfalls der ersten Untermauerung und Verdeutlichung des Parteivortrags, kann aber jederzeit von der anderen Seite angefochten werden.
Da im Allgemeinen wegen auftretender Mängel oder Schäden also keine Unterbrechung der Bautätigkeit angeordnet wird, sind Beweise schnell vernichtet bzw. verdeckt. Ist beispielsweise die Verlegung einer Fußbodenheizung vermutlich mangelhaft, aber es wird dennoch am nächsten Tag der Heizestrich vergossen, sind die Beweismittel für immer unzugänglich. Es müsste im Zweifelsfall der gesamte Fußboden aufgestemmt werden, was natürlich auch die darunterliegenden Heizelemente und die Wärmedämmung beschädigen würde. Der Schaden wäre also sehr groß und die Kosten im dem Falle, dass sich Auftraggeber:innen getäuscht hätten, komplett von letzteren zu tragen. Im Vergleich dazu ist ein privates Beweissicherungsverfahren sehr günstig, außerdem wird das beauftragte Sachverständigenbüro auch gleich die Korrektheit oder Mangelhaftigkeit der Fußbodenheizung feststellen.
Zusätzlich sorgt ein Beweissicherungsverfahren dafür, bei später auftretenden Baumängeln nachzuvollziehen, welche Ursache ihnen zugrunde liegt, um das verantwortliche Gewerk herauszufinden.
Wie läuft ein Beweissicherungsverfahren ab?
Im Gegensatz dazu muss das selbstständige Beweissicherungsverfahren beim zuständigen Gericht beantragt werden. Grundsätzlich kann es von allen am Bau beteiligten Parteien eingeleitet werden. Allerdings gelten nach § 485 Absatz 1 bis 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmte Bedingungen für die Beantragung, die nur erfolgen kann, wenn:
• die gegnerische Seite zustimmt.
• zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht.
• ein rechtliches Interesse am Zustand, an der Ursache oder dem Aufwand der Beseitigungskosten besteht, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
Zusammenfassend soll das selbstständige Beweissicherungsverfahren entweder das Gerichtsverfahren gänzlich vermeiden oder zumindest so kurz und günstig wie möglich halten.
Der Ablauf gestaltet sich wie folgt:
1. Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens beim zuständigen Gericht mit Angabe der gegnerischen Partei, des Beweisgegenstandes, der Zeugen oder Beweismittel, Begründung.
2. Prüfung und Bewilligung des Antrags durch das Gericht.
3. Bestellung des Sachverständigen durch das Gericht. Der Sachverständige muss seine notwendige Fachkompetenz prüfen.
4. Anberaumung eines Ortstermins in Anwesenheit beider Parteien.
5. Erstellung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen mit folgenden Angaben: Zustand und Beschreibung der Mängel, Mängelursachen, mögliche Maßnahmen zur Beseitigung inkl. Kostenschätzung.
6. Stellungnahme zum Gutachten. Wenn erforderlich, kann eine der beiden Seiten ein ergänzendes Gutachten anfordern, wenn wichtige Punkte fehlen.
7. Vorlage des erstellten Gutachtens beim Gericht. Dieses prüft dann meistens nach mündlicher Anhörung der Parteien und entscheidet darüber, ob das Gutachten unzureichend oder ausreichend ist.
Wie lange dauert ein selbstständiges Beweisverfahren?
Generell dient das selbstständige Beweisverfahren der Beschleunigung eines Gerichtsverfahrens, das ohne dieses Verfahren im Regelfall mehrere Jahre dauert. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, dass auch das Beweisverfahren normalerweise einige Monate dauert, aber nur, wenn das Gutachten fachkundig erstellt wurde und alle Parteien sich kooperativ zeigen. Im gegenteiligen Fall können die Gegner allerdings mit einer Verfahrensdauer von einem Jahr und länger rechnen. Daher ist es empfehlenswert, als Planer:in frühzeitig mit beiden Seiten zu sprechen, um eine aktive und konstruktive Kooperation zu erzielen, die letzten Endes allen Beteiligten hilft.
Was kostet ein Beweissicherungsverfahren?
Sobald ein Gericht zur prozessualen Klärung eines Sachverhalts eingeschaltet wird, fallen normalerweise hohe Kosten an. Insofern ist es wichtig, zu untersuchen, was ein Beweisverfahren mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung kostet, um abzuwägen, ob sich letztere lohnt.
Für die nach VOB/B § 3 obligatorische Beweissicherung vor Baubeginn werden bei Beauftragung eines Gutachterbüros die Kosten im Allgemeinen nach dem gewünschten Umfang berechnet. Für den vorgeschriebenen Mindestumfang einer Außenbesichtigung werden bei einem Einfamilienhaus etwa 400 bis 500 Euro fällig. Eine komplette Außen- und Innendokumentation wird mit etwa 2000 bis 3000 Euro zu Buche schlagen.
Ähnlich verhält es sich mit den Kosten für ein privates Beweisverfahren während der Bauphase durch einen Sachverständigen. Daher richten sich die Kosten für ein Gutachten im Allgemeinen nach dem zeitlichen Aufwand. Der Netto-Stundensatz für einen Bausachverständigen liegt bei etwa 70 bis 250 Euro. Sowohl die jeweilige Region als auch das Fachgebiet oder die Komplexität des einzelnen Falles können die genannte Kostenspanne beeinflussen. Der Stundensatz enthält alle Leistungen, aber Fahrtkosten und die Ausfertigung der Dokumentation können gesondert berechnet werden. Alternativ wird in manchen Fällen auch ein Pauschalpreis für das Gutachten vereinbart.
Schließlich gibt es die Kosten für ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren, das gerichtlich beantragt wird. In diesem Fall ist die Vergütung gesetzlich festgelegt und richtet sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Der aktuelle Stundensatz, zuletzt festgelegt im Jahre 2021, beträgt für Bausachverständige 105 Euro netto. Für Sachverständige im Bereich GaLa und anderen Ingenieurleistungen gelten abweichende Vergütungssäze.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein Beweissicherungsverfahren in der Regel einige tausend Euro kosten wird. Diese Summe ist aber sehr gering im Vergleich zu den Kosten eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, abgesehen vom deutlich niedrigeren Zeitaufwand. Auch ist vor der Entscheidung niemals klar, welche Seite für die Kosten letztlich aufkommen muss. Daher sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, mit Hilfe eines privaten oder selbstständigen Beweisverfahrens eine außergerichtliche Einigung zu erwirken.
Welche Kosten fallen an?
Die Kosten, die bei einem Beweissicherungsverfahren anfallen, teilen sich je nach Art des Verfahrens in verschiedene Positionen auf. Bei der privaten Beweissicherung vor Baubeginn bzw. während des Bauablaufs fallen folgende Kosten an:
• Honorar des Bausachverständigen nach Zeitaufwand (Stunden).
• Fahrtkosten und Spesen bei längerer Anfahrt.
• Kosten für die Ausfertigung des Gutachtens (pro Seite).
• Alternative: Vereinbarung eines Pauschalpreises.
Dagegen beinhalten das Beweissicherungsverfahren im Sinne des Paragraphen 485 Absatz 1 sowie das selbstständige Beweisverfahren im Sinne des Paragraphen 485 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) deutlich mehr Kostennoten, die im Rechtsanwaltsvergütunggesetz (RVG) definiert sind. Beide Verfahren sind übrigens verfahrensrechtlich eigenständig.
Sollte es dennoch im Nachhinein zu einem Gerichtsprozess kommen, werden die Gebühren als selbstständige Angelegenheit angesehen, die laut § 19 RVG nicht zum weiteren Rechtszug gehören. Das bedeutet, dass im Hauptverfahren weitere, gesonderte Gebühren entstehen können. Für das reine Beweisverfahren fallen folgende Gebühren an:
• Auslagenvorschuss auf die Gerichtskosten für die Beweiserhebung.
• Honorar des Bausachverständigen nach JVEG pro Stunde.
• Fahrtkosten und Spesen.
• Kosten für die Ausfertigung des Gutachtens.
Hinzu kommen bei Einschaltung eines Rechtsanwaltes folgende weitere Kosten:
• Verfahrensgebühr: Der Rechtsanwalt rechnet die 1,3 Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3100 ab.
• Terminsgebühr: Einmalige Gebühr nach RVG VV Nr. 3104 für einen vom Gericht oder Sachverständigen anberaumten Ortstermin bzw. von Dritten anberaumten Termin zur Vermeidung oder Beendigung eines nachfolgenden Rechtsstreits.
• Einigungsgebühr: Für die Mitwirkung an einer Einigung steht dem Rechtsanwalt nach RVG VV Nr. 1000 die 1,5 Verfahrensgebühr zu.
Anrechnung der Verfahrensgebühr: In dem Moment, in dem es nach dem selbstständigen Beweisverfahren zu einem Hauptsacheverfahren kommt, wird die ursprüngliche Verfahrensgebühr auf Grundlage des Hauptsacheverfahrens berechnet.
Wer trägt die Kosten?
Das selbstständige Beweisverfahren verursacht also einige Kosten seitens der Gerichtsverwaltung und des Gutachters, die zusammen mit eventuellen Anwaltsgebühren schnell vier- bis fünfstellige Beträge annehmen können. Daher ist die Frage, wer letztlich für die Begleichung dieser Kosten aufkommt, von enormer Bedeutung. Diese Frage lässt sich jedoch im Vorhinein nie mit Sicherheit beantworten. Die Entscheidung wird nämlich vom Gericht erst im Verlauf des Beweisverfahrens gefällt. Kommt es im Beweisverfahren zu keiner Einigung, dann wird die Frage, genau wie bei anderen Gerichtsprozessen, sogar erst im gerichtlichen Hauptverfahren entschieden. Generell gilt: In jedem Fall sind alle Kosten einschließlich der Gegenseite von der beauftragenden Partei zu tragen,
• wenn Letztere nach Abschluss des Verfahrens auf eine Klage verzichtet.
• wenn Letztere den Antrag zurücknimmt.
• wenn der Antrag vom Gericht abgelehnt wird.
Kommt es nach Beantragung des selbstständigen Beweisverfahrens zur Klage, trifft das Gericht im Hauptverfahren die Entscheidung, welche Partei die Kosten zu tragen hat.
Wer als bemängelnde Partei dieses Risiko nicht tragen möchte, kann auf das private Beweissicherungsverfahren ausweichen. Hierbei sind die Gesamtkosten im Allgemeinen im Vorhinein absehbar, der Stundenaufwand des Sachverständigen ist abschätzbar, in manchen Fällen wird auch ein Pauschalpreis vereinbart. Auch wenn das erstellte Gutachten nicht die gleiche Beweiskraft vor Gericht hat wie bei einem selbstständigen Beweisverfahren, so werden die Ergebnisse dennoch in vielen Fällen berücksichtigt, wenn es zur Anfechtung und einem folgenden Gerichtsprozess kommt.
Was geschieht nach dem Beweissicherungsverfahren?
Das private oder selbstständige Beweisverfahren endet mit der Erstellung des Gutachtens durch den beauftragten Bausachverständigen. In diesem werden die einzelnen Ergebnisse der Beweissicherung aufgeführt. Darüber hinaus verfasst der Gutachter bereits eine Bewertung der Ergebnisse. Diese dient dann als Basis für alle folgenden Entscheidungen und Schritte.
Wie bereits oben erwähnt, wird in der Mehrzahl der Fälle eine außergerichtliche Einigung das Ziel der beiden Parteien sein. Neben der Kostenersparnis ist vor allen Dingen die enorme Zeitersparnis zu nennen. Normalerweise ist keine Seite daran interessiert, die Bauzeit unnötig in die Länge zu ziehen. Statt einer Klärung vor Gericht verhandeln daher die beteiligten Parteien über eine Kompromisslösung und die Höhe eines eventuellen Schadenersatzes. Das Ergebnis sollten die Verhandlungspartner schriftlich festhalten und beide unterschreiben.
Anders sieht es aus, wenn die außergerichtliche Einigung fehlschlägt bzw. eine der beiden Seiten auf einer gerichtlichen Klärung beharrt. In diesem Fall kann die jeweilige Partei Klage vor Gericht einreichen. Nun ist es das Gericht, welches auf Grundlage der vorgelegten Beweismittel und des Sachverständigengutachtens entscheidet, ob eine Nachbesserungspflicht und zusätzlich eine eventuelle Schadenersatzpflicht bestehen. Auch die Höhe des Schadenersatzes wird vom Gericht bestimmt. Außerdem wird die Frage geklärt, wer für die Kosten für das Gutachten und das Gerichtsverfahrens aufkommt.
Weiterhin legt das Gericht im Falle der Anerkennung des Mangels oder Schadens fest, in welcher Frist dieser beseitigt werden muss. Verstreicht diese Frist fruchtlos, können weitere Maßnahmen eingeleitet werden.
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