Der im Jahre 1997 eingeführte Mindestlohn im Bauhauptgewerbe sollte sicherstellen, dass branchenintern faire Wettbewerbsbedingungen herrschen. Dabei spielte die Baubranche eine Vorreiterrolle bei der Gestaltung der Mindestlöhne, war sie doch die erste Branche, die einen eigenen Mindestlohn beim Bau einführte. Allerdings ist der Branchenmindestlohn im Bauhauptgewerbe seit dem 1. Januar 2022 Geschichte. Grund: Die Verhandlungspartner konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen, auch der in der Schlichtungsrunde am 24.03.2022 vorgelegte Schiedsspruch wurde von der Arbeitgeber-Tarifgemeinschaft abgelehnt.
Daher gilt im Baugewerbe seit Anfang 2022 nur noch der gesetzliche Mindestlohn, der branchenunabhängig ist. Dieser wird jährlich zum 1. Januar angepasst und soll gewährleisten, sittenwidrige Vergütungen zu verhindern bzw. wettbewerbsverzerrende Dumpingangebote zu vermeiden. Der gesetzliche Mindestlohn gilt bindend in allen Bereichen der Wirtschaft, darf also nicht unterschritten werden.
Was ist der Mindestlohn?
Der Mindestlohn ist gesetzlich vorgeschrieben und stellt die Brutto-Lohnuntergrenze dar, die in Deutschland nicht unterschritten werden darf. Der Mindestlohn wurde am 1. Januar 2015 eingeführt mit dem Ziel, Arbeitnehmer:innen vor unangemessen niedrigen Löhnen zu schützen. Außerdem sollen durch ihn faire Wettbewerbsbedingungen für alle Seiten auf dem Arbeitsmarkt gewährleistet werden. Das sorgt gleichzeitig für mehr Stabilität in den Sozialsystemen.
Motiv für die Einführung waren in erster Linie bisherige Tarife im Niedriglohnsektor. Insbesondere weibliche Arbeitskräfte sowie Arbeiter:innen in den neuen Bundesländern waren häufig vom Niedriglohn betroffen. Aber auch Berufsanfänger sowie Angestellte in Mini- und Teilzeitjobs profitierten von der Einführung. Der Mindestlohn gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer:innen, in bestimmten Fällen sogar für Praktikant:innen.
Welche Personengruppen haben aber keinen Anspruch auf den Mindestlohn? Laut der Informationsseite der Bundesregierung sind das:
• zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte,
• ehrenamtlich Tätige sowie Personen, die einen freiwilligen Dienst ableisten,
• Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung,
• Selbstständige,
• Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt,
• Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten.
Mindestlohn im Bauhauptgewerbe
Weiterhin existieren in Deutschland branchenspezifische Mindestlöhne, welche nicht vom Gesetzgeber festgelegt werden, sondern von Gewerkschaften und der Arbeitgeberseite ausgehandelt werden. Diese werden anschließend in zeitlich begrenzten Tarifverträgen festgehalten und sind dann für alle Firmen und Betriebe in einer bestimmten Branche bindend. Der Bauhauptgewerbe Mindestlohn ist im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Baugewerbe) definiert. Auch wenn der Mindestlohn Bau nur bis Ende 2021 gültig war und bisher noch keine Einigung über einen neuen tariflichen Mindestlohn gefunden wurde, so liegt der letzte Mindestlohn beim Bau aus dem Jahre 2021 doch deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn.
Es gilt vorerst die Regelung, dass bei seit vor 2022 bestehenden Arbeitsverhältnissen weiterhin der letzte Mindestlohn Bau bezahlt werden muss, bis ein aktueller Tarifvertrag vorliegt. Beim Mindestlohn im Bau Hauptgewerbe gab es zwei Lohngruppen: Lohngruppe 1 (Werker) und Lohngruppe 2 (Fachwerker). Für ab 2022 abgeschlossene Arbeitsverträge gilt allerdings nur noch der gesetzliche Mindestlohn.
Was sind die Bestandteile des Mindestlohns?
Die Bestandteile des Mindestlohns Bau für die Lohngruppen werden nach folgender Formel berechnet:
Beide Komponenten ergeben also zusammen den Gesamttarifstundenlohn in Brutto. Dieser kann aber noch weitere Bestandteile enthalten, z.B.:
• Zulagen
• Zuschläge
Zu diesen gehört beispielsweise seit dem 1.1.2023 die Wegezeitenentschädigung (WE). Zulagen werden immer dann gezahlt, wenn Arbeitnehmer:innen eine von der im Tarifvertrag festgelegten Normalleistung zusätzliche bzw. abweichende Leistung ausführen.
Die oben genannten Zulagen oder Zuschläge können entfallen, wenn für diese Leistungen bereits erhöhte Zahlungen geleistet werden. Letztere können z.B. sein:
• Gesetzliche Zuschläge für Sonn- und Feiertage, Nachtarbeit oder Überstunden.
• Gesetzliche Schmutz- oder Gefahrenzulagen.
• Extrazahlungen von Leistungs- oder Qualitätsprämien.
Für welche Arbeiten gilt der Mindestlohn?
Der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) legt im Paragraph 5.3 folgende Lohngruppen fest:
• Lohngruppe 1: Werker ohne Ausbildung zur Ausführung von Hilfsarbeiten, einfachen Bau- und Montagearbeiten sowie einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen nach Einweisung.
• Lohngruppe 2 (inkl. 2a und 2b): Fachwerker / Maschinisten / Kraftfahrer mit angelernten Fähigkeiten für Teilleistungen eines Berufsbildes und fachlich begrenzten Arbeiten mit baugewerblicher Ausbildung (erste Stufe) wie Maler:innen, Tischler:innen und GaLa.
• Lohngruppe 3 (inkl. 3a und 3b): Fachwerker mit baugewerblicher Ausbildung (Stufe 2) im 1. Jahr und Berufserfahrung wie Facharbeiter*innen oder Baugeräteführer*innen.
• Lohngruppe 4: Facharbeiter:innen mit baugewerblicher Ausbildung (Stufe 2) ab dem 2. Jahr und Baumaschinenführer:innen und Berufskraftfahrer*innen mit selbstständiger Ausführung der Arbeit.
• Lohngruppe 5: Facharbeiter:innen mit absolvierter Prüfung zu Baumaschinenführer:innen und Vorarbeiter:innen mit mehrjähriger Berufserfahrung, die eine Gruppe von Facharbeier:innen führen.
• Lohngruppe 6: Facharbeiter:innen mit absolvierter Prüfung zum Werkpolier sowie Baumaschinen-Fachmeister*innen.
Je nach Lohngruppe gilt der Mindestlohn Bau nach den Lohntabellen West, Ost und Berlin.
Zusätzlich existiert für einige Gewerke ein individueller Mindestlohn am Bau.
Dachdeckerhandwerk
So hat das Dachdeckergewerbe einen eigenen tariflichen Mindestlohn Bau verhandelt. Dieser beträgt seit 1.1.2024 für
• Werker (ungelernte Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Ausbildung): 13,90€ / Std.
• Fachwerker (gelernte Arbeitskräfte mit Gesellenbrief bzw. bei Ausführung fachlich qualifizierter Tätigkeiten): 15,60€ / Std.
Diese Mindestlöhne gelten für alle Unternehmen und Betriebe, die unter den Bereich des Rahmentarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer:innen des Dachdeckerhandwerks fallen.
Gerüstbauer
Auch für das Gerüstbauhandwerk existiert ein eigener Mindestlohn. Dieser beträgt
• Seit 1.10.2023: 13,60 / Std.
• Ab 1.10.2024: 13,95 / Std.
Insbesondere im Gerüstbau gibt es zusätzlich weitere Definitionen zum Geltungsbereich zu beachten:
• Handelt es sich um eine allgemeine Baufirma mit einer selbstständigen Betriebsabteilung zur Ausführung von Gerüstbauarbeiten, so sind die zugehörigen Arbeitskräfte tariflich ebenfalls als Gerüstbauer:innen anzusehen.
• Weiterhin fallen unter den Mindestlohn Gerüstbau auch Betriebe, die gewerblich Gerüstmaterial für den Baubedarf bereitstellen oder die Logistik übernehmen.
• Eingeschlossen sind ausdrücklich auch ausländische Betriebe, wenn ihre Arbeitskräfte in Deutschland beschäftigt sind.
• Dagegen gilt der Mindestlohn für den Gerüstbau nicht für Betriebe des BRTV Baugewerbes, Maler- und Dachdeckerbetriebe.
• Ebenfalls ausgeschlossen sind nicht zum Gerüstbauhandwerk zugeordnete Betriebe, die unter einen anderen Tarifvertrag fallen.
Maler- und Lackiererhandwerk
Der Mindestlohn Bau bei Maler- und Lackiererbetrieben gilt für alle gewerblichen Arbeitskräfte, die unter den Geltungsbereich des Rahmentarifvertrags des Maler- und Lackiererhandwerks fallen. Er beträgt
für ungelernte Arbeitskräfte:
• Seit 1.4.2023: 12,50 / Std.
• Ab 1.4.2024: 13,00 / Std.
für gelernte Arbeitskräfte:
• Seit 1.4.2023: 14,50 / Std.
• Ab 1.4.2024: 15,00 / Std.
Ausgeschlossen von diesem Mindesttariflohn sind allerdings Fahrzeug- und Metalllackierer:innen in stationären Werkstätten.
Elektrohandwerk
Im Elektrohandwerk gibt es keine ungelernten Arbeitskräfte. Daher gilt für 2024 einheitlich folgender Mindestlohn:
• Seit 1.1.2024: 13,95 / Std.
Im Elektrohandwerk gilt jedoch abhängig vom Ort eine weitere Besonderheit. Normalerweise ist der jeweilige Arbeitsort ausschlaggebend für die Berechnung des Mindestlohns. Gilt jedoch für den Ort des Firmensitzes ein höherer Mindestlohn, dann haben Arbeitskräfte im Elektrohandwerk Anspruch auf diesen höheren Mindestlohn. Umgekehrt besteht bei einem niedrigeren Mindestlohn während der Dauer des Arbeitseinsatzes an einem betriebsfremden Arbeitsort Anspruch auf den dort geltenden Mindestlohn.
Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um Arbeitszeiten während der Vollarbeit handelt. Wenn sich die Arbeitskräfte dagegen nur in Arbeitsbereitschaft befinden, darf der Lohn auf den gesetzlichen Mindestlohn begrenzt werden, wenn nicht andere betriebliche Vereinbarungen vorliegen. Eine Minderung des Mindestlohns bei Anspruch auf Aufwandentschädigungen im Sinne von Paragraph 670 BGB ist nicht zulässig.
Garten- und Landschaftsbau
Ganz neu ist der gesetzliche Mindestlohn für das Gewerk Garten- und Landschaftsbau. Auch hier gilt nun statt des bisherigen Tarifvertrags der gesetzliche Mindestlohn. Dieser beträgt
• Seit 1.1.2024: 12,41€ / Std.
bereits in der Lohngruppe 7.6 (Jugendliche und berufsschulpflichtige Arbeitnehmer ab dem 17. Lebensjahr). Damit eine korrekte Umsetzung in den Betrieben gewährleistet wird, gibt es eine Reihe von Vorgaben, die in Form von Bürokratiekosten die Betriebe belasten. Daher ist die Reform in den Betrieben des GaLa umstritten.
Dokumentationspflichten beim Mindestlohn
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) regelt die zwingenden Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und setzt damit die Entsenderichtlinie der EU aus dem Jahre 1996 (überarbeitet 2018) um. Diese war nötig geworden, weil immer mehr Arbeitskräfte in Deutschland von Betrieben mit Sitz im Ausland beschäftigt wurden.
Das Gesetz beinhaltet die Einhaltung von gesetzlichen Mindestlöhnen und dem Mindestlohn beim Bau auch dann, wenn Unternehmen einen ausländischen Firmensitz haben. Seit dem 30. Juli 2020 "gelten bundesweite allgemeinverbindliche Tarifverträge in allen Branchen auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland", so die Informationsseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Das AEntG beinhaltet umfangreiche Dokumentationspflichten beim Mindestlohn Bau. So ist nach § 19 jede Baufirma verpflichtet, die tägliche Arbeitszeit jeder gewerblichen Arbeitskraft zu protokollieren, und zwar maximal nach einer Woche. Wörtlich heißt es in Abs.1: " Soweit Arbeitsbedingungen auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, deren Einhaltung nach § 16 von den Behörden der Zollverwaltung kontrolliert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und, soweit stundenbezogene Zuschläge zu gewähren sind, unter Angabe des jeweiligen Zuschlags Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit, die einen Anspruch auf den Zuschlag begründet, spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren." Ergänzend ist festzuhalten, dass diese Dokumentation nach Abs. 2 in deutscher Sprache vorzulegen ist.
Weiterhin ist eine Dokumentation zum Mindestlohn nach Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV) § 17 obligatorisch.
Wann erhöht sich der Bau Mindestlohn?
Seit Ende 2021 gibt es keinen verbindlichen Mindestlohn im Bau mehr. Wie bereits erwähnt, greift daher in allen Baubranchen, die keine eigene Tarifvereinbarung haben, der gesetzliche Mindestlohn. Dieser beträgt zur Zeit 12,41€ pro Stunde und steigt am 1. Januar 2025 auf 12,82€ pro Stunde.
In den Baubranchen mit eigenen Tarifvereinbarungen steigen die Mindestlöhne in Abhängigkeit vom jeweiligen Datum der letzten Tarifverhandlungen. Das kann z.B. der 1.1. wie im Dachdeckerhandwerk, im Elektrohandwerk und im Garten- und Landschaftsbau, aber auch der 1.4. wie im Maler- und Lackiererhandwerk oder der 1.10. wie im Gerüstbau sein. Bei schwierigen Tarifverhandlungen können sich aber theoretisch diese Termine verschieben.
Strafen für Verstöße beim Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn und der branchenspezifische Mindestlohn Bau sind verpflichtend und ihre Einhaltung wird vom Gesetzgeber streng kontrolliert. Entsprechend hoch sind die Geldbußen bei Verstößen. Sie werden als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit Beträgen bis zu 500.000€ bestraft.
Auch die Bußgelder bei Verstößen gegen die Melde- und Aufzeichnungspflichten zum Mindestlohn Bau durch ausländische Bauunternehmen können mit Strafen bis zu 30.000€ empfindlich hoch ausfallen.
Zusätzlich zur Ordnungswidrigkeit kann außerdem eine Straftat vorliegen, wenn die Baufirma nicht die Beiträge zur Sozialversicherung ordnungsgemäß abgeführt hat. Dies kann z.B. bei der Veruntreuung von Lohnzahlungen der Fall sein.
Außerdem drohen betroffenen Bauunternehmen weitere gesetzliche und wirtschaftliche Konsequenzen. Bei einer erteilten Geldbuße ab 200€ wird eine Eintragung in das Gewerbezentralregister fällig. Beträgt die Geldbuße zu Verstößen gegen den Mindestlohn Bau 2.500€ und mehr, kann der entsprechende Betrieb vom Bewerbungsverfahren um öffentliche Bauaufträge "für eine angemessene Zeit" ausgeschlossen werden. Es liegt in der Verantwortung der Baufirma, glaubhaft nachzuweisen, dass die Zuverlässigkeit wiederhergestellt ist. Daher sind Vergabestellen verpflichtet, vor der Vergabe von öffentlichen Aufträgen Auskünfte bei den offiziellen Präqualifizierungsstellen einzuholen.
Fazit
Die gesetzlichen Vorschriften zum Mindestlohn am Bau sind von Auftragnehmer:innen genau einzuhalten. Verstöße sind kein Kavaliersdelikt und werden auch bei ausländischen Firmen geahndet.
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