Im Bauvertragsrecht ist der Begriff "Inverzugsetzung" üblich, wenn eine Vertragspartei eine andere in Verzug setzen will. Gründe können Bauverzögerungen, Fristüberschreitungen und ähnliche Anliegen sein, also immer wenn es darum geht, dass der pünktliche Ablauf eines Bauprojekts in Gefahr ist. Im Allgemeinen lässt sich das sehr schnell anhand des Bauzeitenplans feststellen. Sobald in diesem Verzögerungen festgestellt werden, heißt es, schnell zu reagieren, damit sich die Verzögerungen nicht auf andere Bauleistungen auswirken. Für diesen Zweck hat der Gesetzgeber das Mittel der Inverzugsetzung vorgesehen.
Was ist eine Inverzugsetzung / Verzugsanzeige?
Die Inverzugsetzung wird verwendet, wenn ein Auftragnehmer seine vertraglichen Leistungen nicht rechtzeitig beginnt oder abschließt. Der Auftraggeber mahnt den Auftragnehmer schriftlich zur Erfüllung und setzt eine konkrete Nachfrist. Bei weiterer Verzögerung können Schadenersatzforderungen oder der Entzug des Auftrags drohen.
Rein rechtlich versteht man unter einer Inverzugsetzung zunächst einmal die Herbeiführung des Verzugs eines Schuldners. Im Allgemeinen geschieht dies durch eine Mahnung, gelegentlich auch durch eine Nachfristsetzung. Sobald von Architekt:innen eine Bauverzögerung festgestellt wird, müssen diese mit einer Mahnung an die entsprechenden Auftragnehmer:innen reagieren. In der Mahnung wird die konkrete Fristüberschreitung reklamiert. Gleichzeitig wird damit auch eine Aufforderung ausgelöst, die vertraglich vereinbarten Bauleistungen zu erfüllen. Dies geschieht mit der konkreten Nennung von Kalenderterminen für den Beginn und die Fertigstellung der fehlenden Leistungen. Das Ziel ist, die Verzögerung so kurz wie möglich zu halten, um nicht den geplanten Fertigstellungstermin des Bauvorhabens zu gefährden.
Die Inverzugsetzung kann zu zwei verschiedenen Zeitpunkten ausgesprochen werden:
• wenn Auftragnehmer:innen die vertraglich vereinbarte Bauleistung nicht zum festgelegten Termin beginnen oder
• wenn Auftragnehmer:innen die vertraglich vereinbarte Bauleistung nicht zum festgelegten Termin fertigstellen.
Insbesondere der erste Anwendungsfall macht sehr viel Sinn. Warum? Je früher eine Verzögerung erkannt und angemahnt wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Bauleistung noch halbwegs pünktlich fertiggestellt wird. Würde dagegen erst nach dem eigentlichen Fertigstellungstermin angemahnt, obwohl vielleicht die Bauleistung noch gar nicht begonnen wurde, kommt es zu einer erheblichen Verspätung. Ausgenommen ist selbstverständlich der Fall, dass zwar pünktlich begonnen und nur nicht fristgerecht fertiggestellt wurde. Dann kommt immer der zweite Anwendungsfall zur Anwendung.
Neben dem Begriff "Inverzugsetzung" haben sich in der Baupraxis auch die Begriffe "Verzugsanzeige" oder "Inverzugsanzeige" eingebürgert. Im Allgemeinen spricht man im Baurecht auch vom "In Verzug setzen".
Wann wird eine Inverzugsetzung durchgeführt?
Eine Inverzugsetzung wird immer dann durchgeführt, wenn eine berechtigte Forderung auf eine Bauleistung gegenüber Auftragnehmer:innen besteht und eine von diesen zu verantwortende Verzögerung eingetreten ist. Das bedeutet, dass die entsprechende Baufirma die Verantwortung für die eingetretene Verzögerung trägt. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass es Ausnahmen gibt. Die Forderung einer Inverzugsetzung seitens Architekt:innen ist unberechtigt, wenn
• höhere Gewalt oder andere nicht abwendbare Umstände vorliegen.
• besondere Witterungseinflüsse, die bei der Angebotsangabe nicht schon zu erwarten waren, den Baubetrieb unmöglich machen.
• ein Verschulden von Auftraggeber:innen vorliegt.
In diesen genannten Fällen ist weder die Auflösung des Bauvertrags noch eine Schadenersatzforderung gerechtfertigt.
Was sind die Vorteile einer Verzugsanzeige?
Eine Verzugsanzeige ist eine formelle Abmahnung und als solche zunächst einmal mit einem negativen Beigeschmack behaftet. Wenn es schon für Auftraggeber:innen nicht angenehm ist, eine schriftliche Mahnung zu versenden, so ist es für Auftragnehmer:innen auf der anderen Seite noch deutlich unangenehmer. Oft resultiert die Verzögerung aus innerbetrieblichen Schwierigkeiten, die offizielle Mahnung setzt nun die Baufirma unter Druck.
Dennoch sollten auch die positiven Aspekte einer Verzugsanzeige nicht außer Acht gelassen werden. Zunächst einmal demonstrieren Auftraggeber:innen bzw. Architekt:innen Kompetenz in der Kontrolle des Bauvorhabens und schützen sich vor späteren Regressforderungen. Letztlich führt das zur Schadensbegrenzung, die durchaus auch im Sinne von Auftragnehmer:innen ist. Aus einer Verzögerung heraus können erhebliche Zusatzkosten wie Vertragsstrafen und Schadenersatzforderungen entstehen. Bei gewerblichen Projekten können zusätzlich entgangene Mieteinnahmen oder Umsätze geltend gemacht werden. Diese werden in der Regel ebenfalls den Auftragnehmer:innen angelastet. Je früher also Auftraggeber:innen die Verantwortlichen in Verzug setzen, umso geringer wird anschließend die Schadenersatzforderung ausfallen. Unter Umständen lässt sie sich sogar gänzlich vermeiden. Gleichzeitig ist die Inverzugsetzung ein deutliches Signal an Auftragnehmer:innen, die interne Organisation und Arbeitsweise zu überprüfen.
Rechtliche Grundlagen einer Inverzugsetzung: VOB, Önorm, BGB
In Deutschland und Österreich gibt es verschiedene Gesetze und Normen, welche die rechtlichen Grundlagen einer Inverzugsetzung definieren. Generell wird in beiden Ländern zwischen den allgemeinen Gesetzbüchern und den bauspezifischen Normwerken unterschieden.
Rechtliche Grundlagen einer Inverzugsetzung in Deutschland
Bei Bauverträgen nach BGB gelten auch bzgl. der Inverzugsetzung die Regelungen zu Leistungsfristen und Leistungsverzug gemäß Paragraph 271 (Leistungszeit) bis Paragraph 286 (Verzug des Schuldners). Insbesondere zum Thema Fristen heißt es sinngemäß:
• (§ 271) Wenn keine Frist zur Leistungserfüllung vereinbart wurde, kann die Leistung sofort verlangt werden.
• (§ 271) Wurde eine bestimmte Frist vertraglich vereinbart, darf die Leistung nicht vorher verlangt werden.
• (§ 275) Die Leistung darf verweigert werden, wenn die Ausführung unmöglich oder unverhältnismäßig ist.
• (§ 280-285) Bei Pflichtverletzung kann ein Anspruch auf Schadenersatz erwirkt werden.
• (§ 286) Verzug des Schuldners tritt dann ein, wenn eine Mahnung erfolgt ist bzw. ein Kalenderdatum bestimmt wurde und die Nichterfüllung durch den Schuldner zu verantworten ist.
Da es sich im BGB um allgemeine Gesetze für jede Art von Leistungen handelt, ist die Formulierung in vielen Fällen nicht präzise genug für die Anwendung in Bauverträgen definiert. Daher werden Bauverträge in der Regel nach VOB abgeschlossen. In Paragraph 5 der VOB Teil B werden genaue Angaben zu Ausführungsfristen von Bauleistungen getroffen. Voraussetzung ist allerdings immer, dass diese Fristen auch tatsächlich vertraglich im Bauvertrag nach VOB festgehalten wurden. Eine reine Bezugnahme auf den Bauzeitenplan reicht bei der Inverzugsetzung nicht aus.
Die Inverzugsetzung von Auftragnehmer:innen nach Paragraph 5 VOB/B kann unter zwei Voraussetzungen erfolgen:
• wenn die Ausführung der Leistung nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist beginnt oder
• wenn die Ausführung der Leistung nicht zum festgelegten Termin fertiggestellt wurde.
Bleibt die Inverzugsetzung fruchtlos, können Auftraggeber:innen
• eine Nachfrist setzen bzw. Schadenersatz fordern.
• die Kündigung des Vertrages androhen.
Wesentlich effizienter als das BGB sollen die Regelungen der VOB in erster Linie dem Ziel dienen, das Risiko von Verzögerungen generell gering zu halten.
Rechtliche Grundlagen einer Inverzugsetzung in Österreich
Auch in Österreich gibt es zwei Regelwerke, welche die Bedingungen zur Inverzugsetzung bei Bauvorhaben festlegen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) gibt zum Verzug in den Paragraphen 918 bis 921 Auskunft. Keine wesentlichen Unterschiede zu den dortigen Ausführungen gibt es in der ONORM B 2110. Hier findet man die näheren Regeln zum Verzug unter dem Punkt 6.5. Diese ähneln übrigens stark den Ausführungen der VOB. Im Wesentlichen gilt:
• Sind Auftragnehmer:innen mit ihren Bauleistungen in Verzug, dann können Auftraggeber:innen eine Nachfrist setzen.
• Das Inverzugsetzen durch Gewáhrung einer Nachfrist muss laut ÖNORM schriftlich erfolgen.
• Auftraggeber:innen wird freigestellt, ob sie auf der nachträglichen Ausführung der Bauleistung beharren oder im Falle der Nichterfüllung den Rücktritt vom Bauvertrag erklären.
• Wird die Leistung trotz schriftlicher Inverzugsetzung nicht fristgerecht begonnen oder beendet, können Erfüllung und Schadenersatz gefordert werden bzw. wahlweise die Auflösung des Vertrags erklärt werden.
Anders als in Deutschland können in Österreich "Fixgeschäfte" mit festem Termin "bei sonstigem Rücktritt" vereinbart werden, in diesem Fall müssen Auftraggeber:innen die Bauleistung bei Verspätung nicht mehr annehmen.
Was ist der Inhalt eines Verzugsschreibens nach VOB?
Wenn Auftraggeber:innen die entsprechenden Auftragnehmer:innen in Verzug setzen, sollten folgende Punkte in der Verzugsanzeige auf keinen Fall fehlen:
1. Allgemeine Daten zum Projekt und dem Adressaten, dazu gehören
• Bezeichnung und Ort des Bauprojekts,
• Name und Anschrift der Baufirma,
• Nennung des Bauvertrags, auf den Bezug genommen wird.
2. Details zum Verzug der Leistungen, also
• Art des Verzugs (verspäteter Beginn, verspätete Teilleistung, verspätete Fertigstellung),
• Nennung der Sollfrist (genauer Termin und Zeitraum),
• Nennung der Nachfrist (genauer Termin und Zeitraum).
3. Nennung der Konsequenzen bei Nichterfüllung:
• Schadenersatz,
• Kündigung des Bauauftrags.
Wie läuft eine Verzugsanzeige ab?
Sollten trotz umfassender Bauüberwachung seitens der Planer:innen dennoch Verzögerungen im Bauverlauf auftreten, ist schnelles Handeln gefragt, damit sich die Schäden durch den Verzug in Grenzen halten. Bevor eine schriftliche Inverzugsetzung heraus geht, sollten Auftraggeber:innen noch einmal die Baudokumentation überprüfen, ob nicht eventuell bereits eine Fristverlängerung wegen vorheriger Verzögerungen gewährt wurde.
Ist dies nicht der Fall, sollte an Auftragnehmer:innen unverzüglich eine schriftliche Verzugsanzeige versandt werden. Diese erfolgt nach VOB in Form einer Mahnung oder Nachfristsetzung. Falls übrigens im Bauvertrag nach BGB oder VOB ein bestimmtes Kalenderdatum vereinbart wurde, setzt der Verzug automatisch ein. Dennoch ist eine schriftliche "Erinnerung" sinnvoll.
Welche Fristen gelten bei einer Inverzugsetzung?
Bei den geltenden Fristen für eine Inverzugversetzung muss zwischen zwei Arten von Fristen unterschieden werden: den Ausführungsfristen und den Nachfristen. Die VOB Teil B Paragraph 5 definiert sehr genau die einzuhaltenden Ausführungsfristen für Bauleistungen. Nach § 5 (1) gelten "In einem Bauzeitenplan enthaltene Einzelfristen nur dann als Vertragsfristen, wenn dies im Vertrag ausdrücklich vereinbart ist". Weiter heißt es in (2) wörtlich: "Ist für den Beginn der Ausführung keine Frist vereinbart, so hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer auf Verlangen Auskunft über den voraussichtlichen Beginn zu erteilen. Der Auftragnehmer hat innerhalb von 12 Werktagen nach Aufforderung zu beginnen. Der Beginn der Ausführung ist dem Auftraggeber anzuzeigen." Damit ist eindeutig geklärt, wie im Falle einer fehlenden Fristvereinbarung zu verfahren ist. Kommt es zu einer Verzögerung, kann entweder Schadenersatz oder "eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung" gesetzt werden.
Die Frage, welche Frist in einer Verzugsanzeige für eine Nacherfüllung angemessen ist, wird allerdings weder im BGB noch in der VOB konkretisiert. Diese hängt individuell vom Umfang der Bauleistung und den Umständen ab. In der Rechtsprechung gilt im Allgemeinen eine Frist von etwa 14 Tagen als angemessen.
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